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Kinder beim Rutschen auf einem Spielplatz

Die Corona-Pandemie hat uns alle erwischt – Kunden, Geschäftspartner, Freunde auf der ganzen Welt. Aber wie ist die Stimmung, ein gutes halbes Jahr später? Neben dem BFG hat sich auch die FreeLounge mit dieser Frage beschäftigt und zeichnet ein internationales Stimmungsbild.

FRAGEN

1. Gesperrte & leere Spielplätze
In Deutschland waren monatelang öffentliche Spielplätze abgesperrt. Besonders in den Städten hatten Familien mit kleinen Kindern plötzlich keinen Ort, an dem sie sich mit ihren Kindern aufhalten konnten, an denen sie sich gefahrlos bewegen und Kontakte knüpfen konnten. Wie war die Situation in den Städten Ihres Landes insbesondere für Familien mit Kindern zwischen 2 und 12 Jahren?

2. Stadt versus Land
In den ländlichen Gebieten in Deutschland, in denen viele Menschen einen eigenen Garten oder eine Terrasse haben oder auch auf weitläufige Wiesen und Wälder ausweichen konnten, war die Lage in Bezug auf die Spielplatzschließungen nicht ganz so dramatisch. Wurden die Unterschiede zwischen Stadt und Land auch in Ihrem Land so deutlich?

3. Die Bedeutung von öffentlichem Raum
Der Lockdown in der Coronakrise hat deutschlandweit sehr deutlich gezeigt, wie wichtig der öffentliche Raum für die Gesellschaft ist: Freiraum fördert Begegnungen und das Aufrechterhalten von sozialen Kontakten, er fördert die Kommunikation, dient als Fitness- und Spielraum für alle Generationen. Wird die Bedeutung des öffentlichen Raumes für die Menschen auch in Ihrem Land stärker wahrgenommen und worüber wird besonders diskutiert?

4. Chancen und Perspektiven
Krisen bergen immer auch eine Chance, etwas zu ändern oder zu verbessern. Gibt es in Ihrem Land Investitionen oder Pläne für den Ausbau, für die Sicherheit, für Sanierungen oder gar Neugestaltung von öffentlichem Raum: zum Beispiel in Generationenplätze, Sitzgelegenheiten, Spielplätze oder Fitnessareale?

5. Ein Blick in die Zukunft
Welche Gespräche werden in Ihrem Land geführt: in der Politik, in den Städten, in der Gesellschaft: was wird sich ändern? Was sollte sich ändern? Welche Wünsche werden geäußert? Wenn Sie nach vorne schauen: wo sehen Sie Ihre Stadt bzw. Ihr Land in einem Jahr?


ANTWORTEN

Italien: Wir geben die Hoffnung nicht auf

Martin Malleier, Holzhof | Südtirol/Italien
Seit 44 Jahren steht die Familie Malleier in Südtirol mit der Firma Holzhof für einzigartigen Spielplatzbau, Qualität und Langlebigkeit. Für die FreeLounge gibt Martin Malleier seine Einschätzung der Lage und Ereignisse.

Gesperrte und leere Spielplätze
Bei uns in Südtirol und auch im Rest Italiens galt ein strenges Ausgehverbot. Wir konnten uns nur 200 Meter von Zuhause entfernen und das nächstgelegene Lebensmittelgeschäft aufsuchen. In den ländlichen Gebieten konnte man es unter Umständen riskieren, mit den Kindern nach draußen zu gehen – immer vorausgesetzt, man wurde nicht entdeckt. Die Zustände in den Städten jedoch waren furchtbar. Besonders hart hat dies auch hier die Kinder getroffen. Sie sollten nicht gemeinsam im Hof spielen. Die Spielplätze waren alle abgeriegelt, Spielgeräte wurden verpackt so dass kein Kind darauf kam. Das einzig Gute an der Sache war, dass sich sehr viele Nachbarn kennenlernten, die vorher nie Kontakt hatten. Es wurden Nachbarn zu besten Freunden. Insgesamt war die gegenseitige Unterstützung sehr groß. Italien hat in dieser Zeit seinem Ruf als kulinarisches Land alle Ehre gemacht: Unter Nachbarn wurden viele Speisen und Rezepte ausgetauscht.

Stadt versus Land
In Bezug auf Spielplatzschließungen gab es keinen Unterschied zwischen Stadt und Land. Die Schließungen wurden landesweit rigoros durchgezogen. Allerdings ist es in den ländlichen Gebieten nicht so sehr aufgefallen, wenn Kinder widerrechtlich die Absperrungen beseitigt und den Spielplatz dennoch benutzt haben. In den Städten war die Bevölkerung Regelverstößen gegenüber deutlich aufmerksamer und die Kinder wurden entsprechend schnell denunziert.

Die Bedeutung von öffentlichem Raum
Auch bei uns ist das ein wichtiges Thema. Nach einem Monat des Lockdowns durften wir bei Holzhof wieder arbeiten. Hervorzuheben ist hierbei die sehr gute Auftragslage und die Anfrage nach kurzfristiger Montage von Spielplätzen und Fitnessanlagen. Das zeigt sehr deutlich, wie wichtig es ist, dass Kinder nach dem Lockdown wieder spielen und turnen dürfen. Die Wichtigkeit dieses Grundbedürfnisses haben auch die italienischen Städte und Gemeinden erkannt: es ist ihnen ein großes Anliegen, den sozialen Kontakt unter den Generationen zu ermöglichen und damit ein soziales Miteinander zu pflegen.

Chancen und Perspektiven
Es gibt in Italien Land momentan sehr viele neue Projekte für Generationenspielplätze, Spielplätze, Fitness und urbane Einrichtungen. Aufgrund der außerordentlich hohen finanziellen Belastungen der Coronakrise hoffen wir, dass die Gelder der Kommunen ausreichen. Die umfangreichen staatlichen Maßnahmen, wie zum Beispiel der Erlass von Immobiliensteuern, bringen in diesem Jahr deutlich weniger Geld in die Kassen der Kommunen.

Ein Blick in die Zukunft
Wie bereits durch die Medien bekannt, ist Italien sehr stark von den Folgen des Coronavirus betroffen. Unsere Hoffnungen liegen daher auf hoher Unterstützung seitens der Politik, so dass ausreichend Gelder für den Wiederaufbau bereitgestellt und Investitionen für die Zukunft getätigt werden können. Den Ausgang dieser Gespräche müssen wir noch abwarten. Wir sind allerdings sicher, dass in Italien viel Geld für Familien investiert werden wird. In diesem Zusammenhang wird sicherlich auch sehr viel Geld für Grünflächen, Spielplätze, Fitnessplätze und urbane Einrichtungen bereitgestellt. Denn eines haben wir aus dem Lockdown gelernt: Wie wichtig Spiel, Bewegung und soziale Kontakte sind.

Niederlande: Das Neue Normal

Jacco Mastenbroek, CODAPLAY BV | Niederlande
Jacco Mastenbroek, selbst Vater von fünf Kindern, beobachtet die Corona-Situation in den Niederlanden. Er berichtet von einer „Neuen Normalität“, die sich auch gerade als Redewendung in unserem Nachbarland etabliert. Kurios findet er, dass „eigentlich selbstverständliche Handlungsweisen wie Händewaschen“ mittlerweile durch den Minister erklärt werden müssen.

Gesperrte und leere Spielplätze
Die Situation in den Niederlanden ist unterschiedlich zu betrachten und zu bewerten. Insbesondere in den großen Städten wurden Spielplätze rigoros abgesperrt, Warnhinweise angebracht und streng die Nutzung kontrolliert. In den kleineren Gemeinden wurde dies teilweile etwas lockerer gehandhabt und es wurde den Kindern die Möglichkeit zum Spielplatzbesuch gegeben. Wir haben in den Niederlanden auch recht schnell die Schulen unter gewissen Voraussetzungen wieder geöffnet – zum Beispiel mit wechselweisem Unterricht und somit verkleinerten Klassen. Anders sieht es im Bereich Outdoor-Fitness aus. In den vergangenen Jahren haben die niederländischen Kommunen verstärkt auf Fitnessangebote im öffentlichen Raum gesetzt, die auch gut angenommen werden. Während der Sperrung der Geräte haben sich die Sportlerinnen und Sportler Alternativen im urbanen Umfeld gesucht und teilweise Straßenschilder und Parkbänke für ihr Training benutzt. Nach der Öffnung der Fitnessareale ist ein vorbildliches und rücksichtsvolles Miteinander zu beobachten. Allerdings ist es für Jugendliche und Erwachsene natürlich deutlich einfacher, die bestehenden Abstandsregeln einzuhalten als für Kinder auf den Spielplätzen.

Stadt versus Land
Eng und zusammen – so könnte man die Niederlande am besten beschreiben. Ländliche Gebiete mit großen bewaldeten Arealen wie in unserem Nachbarland Deutschland findet man kaum. Vom südlichsten bis zum nördlichsten Punkt sind es gerade mal 300 km – vergleichbar mit Niedersachsen. Diese Enge war natürlich während des sog. „Intelligenten Lockdowns“ in den größeren Städten ein Problem. Jedoch muss auch gesagt werden, dass sich Bürgerinnen und Bürger in den größeren Städten deutlich aufmerksamer beim Zusammentreffen in öffentlichen Raum verhalten als in den kleinen Gemeinden.

Die Bedeutung von öffentlichem Raum
Wie in jedem Land ist auch in den Niederlanden die Bedeutung des öffentlichen Raums sehr groß. Die Holländer als Reise- und Urlaubsland sind seit jeher sehr kinderfreundlich aufgestellt und haben eine hohe Spielplatzdichte. Gerade jetzt in der Corona-Zeit hat sich aber auch gezeigt, wie wichtig kommunale Spiel- und Fitnessprojekte auch in anderer Hinsicht sind. Vergabeverfahren sind normalerweise Beteiligungsprojekte. Wird in einer Kommune ein Spielplatz geplant, findet ein Zusammentreffen der Anwohner statt, die bei den Entwürfen mitentscheiden dürfen. Dieser soziale Aspekt fällt derzeit weg, Entscheidungen werden zumeist vertagt. Dies führt zum nächsten: der Branchenverband der Spielgerätehersteller in den Niederlanden hat kürzlich auf die Situation aller in diesem Bereich tätigen Unternehmen aufmerksam gemacht. Kommunen in den Niederlanden sind großer Arbeitgeber für Garten- und Landschaftsbauer, Spielplatzeinrichter, Planer. Die staatlichen Hilfen waren in erster Instanz auf 3 Monate begrenzt und viele Unternehmen brauchen Unterstützung. Auch hier gilt: Können Kinder spielen und bleiben Erwachsene in Bewegung, tut man sowohl etwas für die Gesundheit und Entwicklung der Menschen als auch für die Entwicklung und den Fortbestand der Wirtschaft.

Chancen und Perspektiven
Schlussendlich kann ich nur für mein Unternehmen sprechen. Aufgrund der interdisziplinären Ausrichtung in verschiedene Bereiche konnten wir bislang die Krise gut bewältigen. Auch wenn wir immer noch eine deutliche Zurückhaltung seitens der kommunalen Entscheider beobachten. Die Zusammenarbeit mit Planern und Architekten läuft wie gewohnt weiter. Trotz der Corona-Pandemie schauen wir, schaut Holland positiv in die Zukunft. Wir sind sicher, dass bereits festgelegte Budgets in diesem Jahr noch zum Tragen kommen und damit ein weiterer Schritt zu mehr Kinderfreundlichkeit und Attraktivität unseres Landes getan wird.

Das neue Normal
In stark frequentierten Fußgängerzonen gibt es Einbahnstraßen, Händewaschen und -desinfizieren gehört ebenso zum Stadtbild wie Mund- und Nasenbedeckungen. Die Niederlande gelangen derzeit zu etwas, das wir „Das Neue Normal“ nennen. Viele Dinge wie regelmäßiges Händewaschen sollten zwar eigentlich schon seit langem normal sein, aber auch die niederländische Regierung weißt verstärkt auf Hygiene- und Abstandregelungen hin. Mit den gelockerten Einreisebeschränkungen seit Mitte Juni kommen die Besucher zurück und wir finden unseren Weg zurück in die Normalität – natürlich mit Abstand. Ich bin sicher, dass sich das öffentliche Leben in den kommenden Wochen stabilisiert und Holland die Krise gut gemeistert hat.

Norwegen: Eine neue Chance

Jan C. Reinertsen, CH Prosjekt AS | Norwegen
Jan C. Reinertsen ist Geschäftsführer der CH Prosjekt AS in Norwegen. Das Unternehmen hat sich auf Spielplatzbau und den Einbau von Fallschutzsystemen spezialisiert. Seit Jahren beobachtet Jan Reinertsen die Situationen auf dem europäischen Markt und stand der FreeLounge gerne für ein Interview zur aktuellen Situation in Norwegen zur Verfügung.

Gesperrte und leere Spielplätze
Es war natürlich eine sehr spezielle Situation für ganz Norwegen: alle Schulen und Kindergärten waren das Frühjahr über geschlossen. Viele Arbeitnehmer waren im Home-Office. Unterricht fand über verschiedene Plattformen statt, so dass Schüler und Studenten entweder zu Hause allein oder in Kleinstgruppen die Unterrichtseinheiten erhielten. Dies war insbesondere für Familien mit Kindergartenkinder schwierig, da sich die Eltern frei nehmen mussten, um die Kinderbetreuung zu gewährleisten. Während dieser Zeit waren alle Spielplätze und Schulhöfe geschlossen. Zwischenzeitlich haben diese, ebenso wie Schulen und Kindergärten, wieder geöffnet.

Stadt versus Land
In Norwegen gibt es große Unterschiede zwischen ländlichen und urbanen Räumen in den großen Städten. Allerdings wurde die Natur rund um die Städte gut von den Bürgerinnen und Bürgern genutzt. Glücklicherweise sind die Wege in Norwegen kurz. Selbst von den Städten aus sind es nur kurze Anfahrten, um in die Natur zu gelangen. Dies wurde, unter Einhaltung der Regelungen, auch genutzt. Allerdings sind in diesem Zusammenhang auch die Verkäufe von Zelten und Hängematten deutlich angestiegen.

Die Bedeutung von öffentlichem Raum
Eine Diskussion um öffentlichen Raum wurde nie wirklich in den Zusammenhang mit der Pandemie gebracht. Zumal mittlerweile die Einschränkungen etwas gelockert wurden, nachdem zu Beginn der Pandemie das komplette öffentliche Leben eingeschränkt wurde. Zwischenzeitlich haben wir das Problem, dass sich eine gewisse Sorglosigkeit einstellt, größere Gruppen zum Feiern zusammenkommen und sich nicht mehr an die vorgegebenen Regelungen halten.

Chancen und Perspektiven
Jede Zeit bietet natürlich die Chance, sich mit gewissen Themen neu auseinander zu setzen. Die Bedeutung des öffentlichen Raums in den Fokus der Aufmerksamkeit zu bringen, innovative Ideen voranzutreiben und den Bürgerinnen und Bürgern einen Mehrwert zu bieten, ist immer ein richtiges und wichtiges Ziel. Ich glaube aber, dass dies nicht nur in Zeiten der Pandemie wichtig ist.

Ein Blick in die Zukunft
Es wird sich sicherlich im Arbeitsleben einiges ändern: die Arbeit im Home-Office wird steigen, Urlaubsreisen ins Ausland werden sich verringern und man wird wieder sein Heimatland als attraktives Reiseziel entdecken.

[Die Interviews wurden im Juli und August geführt]

Erstveröffentlichung in der FreeLounge 1/2020